Medikamente bei Vorhofflimmern – und wann es Alternativen braucht

Immer mehr Menschen leiden an Vorhofflimmern. Betroffene haben ein erhöhtes Risiko, einen Schlaganfall zu erleiden. Lesen Sie hier, welche Medikamente und Alternativen es in diesem Fall gibt, um das Schlaganfallrisiko zu senken.

Medikamente bei Vorhofflimmern – und wann es Alternativen braucht

Vorhofflimmern erhöht das Schlaganfallrisiko

Vorhofflimmern ist die häufigste Herzrhythmusstörung in Deutschland und erhöht das Risiko für einen Schlaganfall deutlich. Aber warum eigentlich?
Bei Vorhofflimmern schlägt das Herz unregelmäßig und der Blutfluss kommt in gewissen Bereichen des Herzens ins Stocken. Das ist insbesondere im linken Vorhofohr des Herzens der Fall. Beim Vorhofohr, auch Herzohr genannt, handelt es sich um eine Ausstülpung des linken Vorhofs. Der linke Vorhof ist der Bereich, in welchen das mit Sauerstoff angereicherte Blut aus der Lunge strömt, um dann über die darauffolgende Herzkammer (Ventrikel genannt) in den Körper verteilt zu werden.

Bei Vorhofflimmern stockt das Blut vor allem im linken Vorhofohr und dadurch steigt das Risiko, dass Blutgerinnsel, in der Medizin als Thromben bezeichnet, entstehen. Diese Gerinnsel werden mit dem Blut weitertransportiert und gelangen über die Gefäße in das Gehirn. Da sich hier die Gefäße immer weiter verzweigen und somit der Gefäßdurchmesser immer kleiner wird, ist die Gefahr besonders groß, dass das Gerinnsel hier ein Gefäß verstopft. Die Gehirnbereiche, welche von diesem Gefäß normalerweise versorgt werden, erhalten dann weniger bis kein Blut; sie verlieren dadurch ihre Funktionsfähigkeit und die unterversorgten Hirnzellen sterben ab. Folglich entstehen die typischen Schlaganfallsymptome wie Halbseitenlähmung oder Sprachstörungen.

Gerinnungshemmer bei Vorhofflimmern

Ein Weg, um das Risiko für einen Schlaganfall zu reduzieren, ist die Einnahme bestimmter Medikamente, die man umgangssprachlich oft als Blutverdünner bezeichnet. In der medizinischen Fachsprache heißen diese Medikamente Antikoagulanzien. Sie hemmen die Blutgerinnung und sorgen so dafür, dass die Entstehung von Gerinnseln im Bereich des linken Vorhofohrs unwahrscheinlicher wird.

Das Risiko für einen Schlaganfall ist durch Vorhofflimmern erhöht. Trotzdem erhalten nicht alle Betroffenen ein Antikoagulans. Denn es gibt zusätzliche Erkrankungen und Risikofaktoren, welche Ärztinnen und Ärzte in der Summe bewerten und dann entscheiden, ob eine Antikoagulation in Frage kommt oder nicht. Dabei wägen sie sorgfältig zwischen Nutzen und Risiko der Behandlung ab, d. h. dem Schutz vor einem Schlaganfall aufgrund von Vorhofflimmern und den Nebenwirkungen wie gefährlichen Blutungen aufgrund der Antikoagulation.

Um eine Entscheidung zu treffen, verwenden Medizinerinnen und Mediziner den sogenannten CHA2DS2-VASc-Score, mit dem sich das individuelle Schlaganfallrisiko abschätzen lässt. In die Berechnung des Scores fließen die wichtigsten Schlaganfall-Risikofaktoren neben dem Vorhofflimmern ein.

RisikofaktorPunkte
CHerzschwäche (Herzinsuffizienz),
Englisch: Congestive heart failure
1
HBluthochdruck (arterielle Hypertonie)1
AAlter 75 Jahre oder älter2
DDiabetes mellitus1
SSchlaganfall oder ähnliche Ereignisse
in der Vergangenheit
2
VGefäßerkrankungen (vaskuläre Erkrankungen):
KHK, früherer Herzinfarkt, Gefäßverschluss
1
A

Alter 65-74 Jahre

1
Sc

Geschlecht: weiblich

1
Maximale Punktzahl

9



Ab einer Punktzahl von 2 bei Männern und 3 bei Frauen gilt das Schlaganfallrisiko als so deutlich erhöht, dass Maßnahmen zur Verhinderung von Schlaganfällen ergriffen werden müssen.

Die verschiedenen Antikoagulanzien kurz erklärt

Die Blutgerinnung ist ein lebensnotwendiger Vorgang im Körper. Normalerweise setzen sich dabei verschiedene Bestandteile des Blutes zusammen – in der Medizin heißt dieser Prozess Koagulation. Die Gerinnung sorgt so dafür, dass eine Wunde aufhört zu bluten und sich eine „Kruste“ bildet. Für die Ausbildung dieser Kruste ist das Gerinnungssystem verantwortlich.
Antikoagulanzien greifen in den natürlichen Ablauf der Blutgerinnung ein. Wenn also im Körper das Risiko für die Entstehung von Thromben durch ein Vorhofflimmern erhöht ist, sind Antikoagulanzien eine Möglichkeit, um die Gerinnung zu hemmen. Dadurch entstehen deutlich weniger Thromben und das Risiko für einen Schlaganfall sinkt.

Zum Einsatz kommen meist die sogenannten neuen oralen Antikoagulanzien (NOAK) wie Apixaban oder Dabigatran. Sie hemmen direkt bestimmte Gerinnungsfaktoren und unterbrechen dadurch die Bildung von Thromben.
Alternativ gibt es auch die sogenannten Vitamin-K-Antagonisten (VKA, auch Cumarine genannt) wie zum Beispiel Phenprocoumon. Vitamin K ist entscheidend für die Bildung von Gerinnungsfaktoren. Durch die Hemmung von Vitamin K setzen die VKA indirekt die Blutgerinnung herab.

Die wichtigste Nebenwirkung beider Arten von Antikoagulanzien ist, dass sie durch die Hemmung der Blutgerinnung das Risiko für schwere oder gar lebensbedrohliche Blutungen erhöhen.

Alternative zu Medikamenten: der Vorhofohrverschluss

Wenn eine Behandlung mit Antikoagulanzien beispielsweise aufgrund eines hohen Blutungsrisikos oder anderer Faktoren nicht in Frage kommt, gibt es alternative Therapiemöglichkeiten, um das Schlaganfallrisiko bei Menschen mit Vorhofflimmern zu senken.

Der Verschluss des linken Vorhofohrs kann das Risiko dafür, dass Thromben aus dem Herzen in das Gehirn gelangen, deutlich senken. Denn im Vorhofohr entstehen rund 90 Prozent aller Thromben im Herzen. Es gibt verschiedene Möglichkeiten, um diesen Bereich im linken Herzen zu verschließen; am häufigsten kommt der sogenannte interventionelle Verschluss mittels Okkluder zum Einsatz.

Für den Eingriff ist eine kurze Sedierung notwendig, sodass Sie von dem Eingriff in der Regel nicht viel mitbekommen. Zunächst betrachten Mediziner den linken Vorhof mittels Schluckultraschall (TEE): Dabei führt der Arzt oder die Ärztin den Ultraschallkopf über den Mund in die Speiseröhre ein. Durch die Wand der Speiseröhre lassen sich die Strukturen des Herzens und somit auch der linke Vorhof sehr gut erkennen. Der Ultraschallkopf verbleibt die restliche Zeit des Eingriffs an dieser Stelle. Der Arzt bzw. die Ärztin misst die Größe des Vorhofs und wählt ein Schirmchen (Okkluder) in einer geeigneten Größe aus. Dieser Schirm gelangt über einen kleinen Schnitt in der Leiste mittels eines dünnen Katheters ins Herz. Nachdem der Arzt bzw. die Ärztin die korrekte Lage des Schirms überprüft hat, wird der Schirm im Eingang des linken Vorhofs freigesetzt und verschließt so die Teile des Vorhofs, die dahinter liegen. Dadurch ist dieser Bereich vom restlichen Blutkreislauf getrennt und Thromben gelangen somit nicht mehr in den Blutstrom.

Da für den Eingriff in der Regel nur ein kleiner Schnitt in der Leiste benötigt wird, nennen Medizinerinnen und Mediziner dieses Verfahren minimalinvasiv.

Damit sich an das eingesetzte Schirmchen keine Blutbestandteile ablagern und es zur Bildung von Thromben kommt, ist nach dem Eingriff eine kurzfristige Behandlung mit speziellen gerinnungshemmenden Medikamenten notwendig.

Der Vorhofohrverschluss ist alternativ auch als chirurgischer Eingriff möglich, meist im Rahmen von weiteren Operationen am Herzen.

Wann kommt ein Vorhofohrverschluss in Frage?

Der Vorhofohrverschluss ist eine Alternative, wenn eine langfristige Behandlung mit Antikoagulanzien nicht in Frage kommen, beispielsweise aufgrund eines erhöhten Blutungsrisikos. Das ist z. B. unter den folgenden Bedingungen der Fall:

Neben einem hohen Blutungsrisiko gibt es auch weitere Situationen, in denen ein Vorhofohrverschluss in Frage kommen kann:

  • Schlaganfall beziehungsweise Hirnblutung während der Einnahme von Antikoagulanzien
  • Das Alter, Begleiterkrankungen oder andere Gründe machen die lebenslange, regelmäßige Einnahme von Antikoagulanzien nicht möglich, wie zum Beispiel ein Kinderwunsch

Bei all diesen Konstellationen ist ein Vorhofohrverschluss möglich. Behandelnde Ärztinnen und Ärzte wägen dabei Nutzen und Risiken individuell ab und besprechen danach mit Ihnen, welche Therapieoptionen für Sie in Frage kommen.

Autorin:  Dipl.-Biol. Anna Besson, medproduction GmbH, www.medproduction.de

Datum: März 2022

Quellen:
1. Hindricks, Gerhard et al. “2020 ESC Guidelines for the diagnosis and management of atrial fibrillation developed in collaboration with the European Association for Cardio-Thoracic Surgery (EACTS): The Task Force for the diagnosis and management of atrial fibrillation of the European Society of Cardiology (ESC) Developed with the special contribution of the European Heart Rhythm Association (EHRA) of the ESC.” European heart journal vol. 42,5 (2021): 373-498. doi:10.1093/eurheartj/ehaa612
2. Onlineinformation des IQWIG. Vorhofflimmern.
www.gesundheitsinformation.de/vorhofflimmern.html (letzter Abruf 03/2022)
3. Onlineinformation des IQWIG. Schlaganfällen vorbeugen bei Vorhofflimmern. www.gesundheitsinformation.de/schlaganfaellen-vorbeugen-bei-vorhofflimmern.html (letzter Abruf 03/2022)
4. Deutsche Apothekerzeitung. Diagnose Vorhofflimmern. www.deutsche-apotheker-zeitung.de/daz-az/2018/daz-14-2018/diagnose-vorhofflimmern (letzter Abruf 03/2022)


9-GE-5-13296-02 04-2022

 

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