Offenes Foramen ovale (PFO): Tickende Zeitbombe oder doch ganz harmlos?

Als offenes Foramen ovale bezeichnen Mediziner eine Öffnung zwischen den beiden Herzvorhöfen. Durch dieses „Loch“ kann sauerstoffarmes Blut unter Umgehung der Lunge direkt zurück in den Körperkreislauf fließen. Doch ist jedes PFO automatisch gefährlich? Und welche Folgen kann es haben?

Offenes Foramen ovale (PFO): Tickende Zeitbombe oder doch ganz harmlos?

PFO als Schlaganfallursache

Normalerweise schließt sich das Foramen ovale bald nach der Geburt, denn seine Funktion – die Versorgung des ungeborenen Kindes mit dem sauerstoffreichen Blut der Mutter – wird nicht mehr benötigt. Doch bei etwa jedem Vierten bleibt das Foramen ovale als eine Art Lappen oder Tunnel offen; diese Art von angeborenem Herzfehler wird persistierendes (=dauerhaftes) Foramen ovale genannt, kurz PFO. Die PFO-Öffnung stellt eine Art „Kurzschluss“ dar: Bei Druckveränderungen kann sauerstoffarmes, venöses Blut statt in die Lunge direkt zur anderen Seite des Herzens fließen und sich dort mit dem sauerstoffreichen Blut vermischen. Die meisten Menschen merken nichts von diesem „Leck“ im Herzen. Das PFO kann aber zum Problem werden, wenn beispielsweise mit dem venösen Blut auch Blutgerinnsel hinübergeschleppt werden und so in den Körperkreislauf gelangen – und damit im schlimmsten Fall einen Schlaganfall auslösen. Außerdem kann auch das PFO selbst die Entstehung von Blutgerinnseln im Herzen begünstigen. Insbesondere bei jüngeren Menschen, bei denen keine anderen möglichen Ursachen und Risikofaktoren für einen Schlaganfall bekannt sind (z. B. Vorhofflimmern, Arterienverkalkung, Bluthochdruck, Übergewicht oder Rauchen), wird der behandelnde Arzt deshalb nach einem Schlaganfall das Herz auf das Vorhandensein eines PFO untersuchen.

Wann ein PFO-Verschluss empfehlenswert ist

Doch ist jedes PFO automatisch gefährlich? Nein, denn beispielsweise spielt die Größe des PFO eine entscheidende Rolle. Aus diesem Grund besteht auch nicht bei jedem PFO Handlungsbedarf. Ihr Arzt wird nach einer gründlichen Untersuchung mit Ihnen besprechen, ob ein Verschluss des PFO bei Ihnen sinnvoll ist. Entsprechend der gemeinsamen Empfehlungen von neurologischen und kardiologischen Fachgesellschaften in Deutschland sollten derzeit PFO-Verschlüsse hauptsächlich dann erfolgen, wenn folgende Bedingungen erfüllt sind:

  • Alter zwischen 16 und 60 Jahren
  • mindestens mittelgroßes PFO
  • mindestens ein vorangegangener Schlaganfall, der durch ein Blutgerinnsel verursacht wurde und keiner anderen Ursache außer einem PFO zugeordnet werden kann

PFO als Ursache von Migräne

Während beim Schlaganfall die Rolle von PFOs und der Nutzen von PFO-Verschlüssen mittlerweile gut belegt sind, gibt es ein zweites Krankheitsbild, bei dem die Situation weniger klar ist: Migräne. Migräne tritt bei Menschen mit PFO deutlich häufiger auf als in der Allgemeinbevölkerung. Doch Vorsicht: Korrelation ist keine Kausalität! Denn nur weil zwei Dinge gemeinsam auftreten, heißt das noch lange nicht, dass eines die Ursache für das andere ist; der Zusammenhang kann auch einfach nur zufällig sein, oder es liegt beidem eine andere, gemeinsame Ursache zugrunde. Ein in diesem Zusammenhang oft zitiertes Beispiel ist die Korrelation zwischen Geburtenrate und der Anzahl von Storchenpaaren: In Regionen, in denen viele Storchenpaare leben, gibt es statistisch gesehen mehr Geburten als in Regionen, in denen wenige Storchenpaare leben. Allerdings ist dies kein Beweis dafür, dass unsere Kinder vom Storch gebracht werden – stattdessen lässt sich die beobachtete Korrelation wahrscheinlich darauf zurückführen, dass in ländlichen Regionen mehr Störche nisten als in Städten und gleichzeitig auf dem Land auch tendenziell mehr Kinder pro Paar zur Welt kommen.

PFO-Verschluss bei Migräne: unklare Datenlage

Doch was haben Störche und Kinder nun mit PFOs und Migräne zu tun? Nun, bislang ist lediglich die Beobachtung gesichert, dass Migräne und PFO offenbar zusammenhängen. Doch es gibt derzeit weder einen eindeutig belegten Mechanismus, wie ein PFO eine Migräne verursachen kann, noch ist bislang in hochwertigen klinischen Studien zuverlässig gezeigt worden, dass ein Verschluss des PFO die Häufigkeit oder Schwere von Migräneattacken reduzieren kann. Zwar führte in einigen Studien der Verschluss des PFO bei den Teilnehmern zu einer deutlichen Besserung der Migräne, doch handelte es sich dabei meist um reine Beobachtungsstudien; mit diesem Studientyp ist es jedoch nicht möglich, kausale Zusammenhänge – beispielsweise zwischen Migräne und PFO-Verschluss – nachzuweisen. Zudem wurde der Erfolg der Behandlung oft lediglich rückwirkend beurteilt, indem die Teilnehmer gebeten wurden, sich an Häufigkeit und Schwere der Migräneattacken vor der Behandlung zu erinnern – was die Ergebnisse fehleranfällig macht, denn unsere Erinnerung ist leider oft nicht sonderlich zuverlässig, sondern subjektiv und selektiv. Hochwertigere Studien – sogenannte prospektive, randomisierte, kontrollierte Studien – konnten bislang die positiven Ergebnisse der Beobachtungsstudien nicht bestätigen.

Da die Datenlage derzeit einfach noch nicht ausreicht, um den Nutzen eines PFO-Verschlusses zweifelsfrei bewerten zu können, ist dieses Verfahren in der Migränetherapie bislang nur im Rahmen von klinischen Studien empfehlenswert.

 

Autorin: Dr. Annukka Aho-Ritter, medproduction GmbH, www.medproduction.de

Datum: Februar 2021

Quellen:

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5. Diener HC et al. S1-Leitlinie Therapie der Migräneattacke und Prophylaxe der Migräne. Deutsche Gesellschaft für Neurologie (Hrsg.), Leitlinien für Diagnostik und Therapie in der Neurologie 2018; unter:
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9-GE-5-12197-02 03-2021

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