Schlaganfallprophylaxe für Menschen mit Niereninsuffizienz – welche Optionen gibt es?

Immer mehr Menschen leiden an einer chronischen Nierenschwäche, in der Medizin Niereninsuffizienz genannt. Betroffene haben ein erhöhtes Risiko, einen Schlaganfall zu erleiden – vor allem, wenn sie auch Vorhofflimmern haben. Lesen Sie hier, welche Möglichkeiten es in diesem Fall gibt, das Schlaganfallrisiko zu senken.

Schlaganfallprophylaxe für Menschen mit Niereninsuffizienz – welche Optionen gibt es?

Nierenversagen erhöht das Schlaganfallrisiko

Schlaganfälle und deren Vorbeugung ist bei Menschen mit einer eingeschränkten Nierenfunktion gleich in mehrfacher Hinsicht eine Herausforderung. Denn einerseits haben Sie ein erhöhtes Risiko, einen Schlaganfall zu erleiden. Dabei gilt: Je schlechter die Niere arbeitet, umso höher ist auch das Schlaganfallrisiko. Der Grund hierfür sind unter anderem gemeinsame Risikofaktoren, denn sowohl Nierenversagen als auch Schlaganfall treten häufiger bei Menschen mit Bluthochdruck (Hypertonie), Diabetes mellitus und Fettstoffwechselstörungen (Dyslipidämien) auf.

Zudem haben Betroffene aufgrund ihrer Erkrankung ein erhöhtes Risiko, eine Blutung zu erleiden – und wenn eine solche Blutung im Gehirn stattfindet, kommt es in der dahinterliegenden Hirnregion zu einer Unterversorgung mit Sauerstoff und Nährstoffen. Die Folge ist ein sogenannter hämorrhagischer Schlaganfall, auch „roter Schlaganfall“ genannt.

Darüber hinaus ist Vorhofflimmern bei Menschen mit Niereninsuffizienz häufiger anzutreffen als bei Menschen ohne Niereninsuffizienz – und Vorhofflimmern erhöht das Risiko für eine weitere Form des Schlaganfalls deutlich, nämlich den sogenannten ischämischen Schlaganfall, auch „weißer Schlaganfall“ genannt. Denn bei Vorhofflimmern können Blutgerinnsel im Herzen entstehen und von dort in die gehirnversorgenden Gefäße oder ins Gehirn selbst wandern. Wird durch ein solches Gerinnsel ein Gefäß verstopft und der Blutfluss unterbrochen, droht dem nicht mehr ausreichend versorgten Hirnareal eine dauerhafte Schädigung.

Schlaganfall-Schutz bei Nierenproblemen? Gar nicht so einfach

Menschen, die aufgrund von Vorhofflimmern ein erhöhtes Schlaganfallrisiko haben, erhalten normalerweise Medikamente, die die Blutgerinnung hemmen. Diese Medikamente werden umgangssprachlich als Blutverdünner bezeichnet, in der Medizin-Fachsprache heißen sie Antikoagulanzien. Diese Medikamente verhindern die Bildung von Blutgerinnseln und tragen so dazu bei, Schlaganfällen vorzubeugen. Doch die Kehrseite dieser erwünschten Wirkung ist, dass durch die Hemmung der Blutgerinnung das Risiko für Blutungen steigt. Diese unerwünschte Wirkung von Antikoagulanzien ist besonders für Menschen mit Nierenerkrankungen gefährlich, denn sie haben ohnehin schon ein höheres Blutungsrisiko als Menschen ohne Nierenerkrankung.

Gut zu wissen: Wie sich das Blutungsrisiko berechnen lässt

Um das individuelle Blutungsrisiko zu berechnen, stehen Ärztinnen und Ärzten verschiedene Methoden zur Verfügung. Häufig wird der sogenannte HAS-BLED-Score verwendet. Dieser berücksichtigt verschiedene Begleiterkrankungen wie Bluthochdruck und Einschränkungen der Nieren- oder Leberfunktion sowie Faktoren wie das Alter und welche Medikamente man nimmt.

 

RisikofaktorPunkte
HUnkontrollierte Hypertonie (Bluthochdruck), d. h. systolischer Wert
(der größere Messwert der beiden Blutdruckwerte) > 160 mmHg
1
AAbnahme der Nieren- oder Leberfunktionjeweils 1
SSchlaganfall in der Vergangenheit1
BBlutung in der Vergangenheit oder erhöhtes Blutungsrisiko1
LLabile (d. h. schlecht eingestellte) INR-Werte (gilt nur für Menschen,
die Vitamin-K-Antagonisten einnehmen)
1
EErhöhtes Alter (über 65 Jahre)1
D

Einnahme von Medikamenten (engl. Drugs), die das Blutungsrisiko
erhöhen, oder übermäßiger Alkoholkonsum

jeweils 1
Maximale Punktzahl

9

 

Alternativen zu Blutverdünnern

Da sich das Blutungsrisiko von Menschen mit Nierenschwäche und Vorhofflimmern durch die Einnahme von Antikoagulanzien noch weiter erhöhen könnte, sind viele gängige Antikoagulanzien nicht für die Behandlung von Menschen mit Niereninsuffizienz zugelassen. Es braucht daher in diesen Fällen eine nicht-medikamentöse Alternative zur Antikoagulation: den Verschluss des linken Vorhofohrs. Doch warum nützt es, das linke Vorhofohr zu verschließen? Um das zu verstehen, muss man wissen, wie das Herz aufgebaut ist. Es besteht aus vier Kammern: den beiden Vorhöfen und den beiden Hauptkammern (Ventrikel). Bei Vorhofflimmern ist der Blutfluss gestört. Das Blut verweilt länger an bestimmten Stellen im Herzen, wodurch es leichter Gerinnsel bildet. Doch diese Gerinnsel entstehen nicht überall im Herzen, sondern in mehr als 90 % der Fälle in einer ganz bestimmten Region: dem linken Vorhofohr, einer kleinen Aussackung des linken Vorhofs. Genau dieses Vorhofohr lässt sich mithilfe eines kleinen „Stöpsels“ oder „Schirmchens“ verschließen. Dieser verhindert, dass Blutgerinnsel in den Kreislauf gespült werden und beugt so Schlaganfällen vor.

Wann wird ein Vorhofohrverschluss durchgeführt?

Beim Verschluss des linken Vorhofohrs handelt es sich um ein minimal-invasives Katheter-gestütztes Verfahren. Allgemein kennt man Eingriffe dieser Art als Herzkatheter. Beim Vorhofohrverschluss führt der behandelnde Arzt bzw. die Ärztin den zusammengefalteten „Stöpsel“ (Okkluder genannt) mit Hilfe eines dünnen Katheters über einen Schnitt in der Leiste in eine Vene ein und schiebt ihn bis zum Herzen vor. Dort wird der Okkluder dann wie ein Regenschirm aufgespannt. Nachdem die Ärztin bzw. der Arzt sich versichert hat, dass der Okkkluder sicher an der richtigen Stelle sitzt, verbleibt er anschließend dauerhaft im Herzen. Aber keine Sorge: Wenn er erstmal eingesetzt ist, werden Sie den Okkluder gar nicht spüren.

Fragen zur Okkludertherapie bei Niereninsuffizienz und Vorhofflimmern besprechen Sie am besten mit Ihrem Kardiologen bzw. Ihrer Kardiologin.

Autorin:  Dr. Annukka Aho-Ritter, medproduction GmbH, www.medproduction.de

Datum: Februar 2022

Quellen:
1. Deutsche Gesellschaft für Kardiologie – Herz-und Kreislaufforschung e.V.: Pocket-Leitlinie Diagnose und Behandlung von Vorhofflimmern, Version 2020. Börm Bruckmeier Verlag GmbH, Grünwald
2. Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG): Vorhofflimmern. www.gesundheitsinformation.de/vorhofflimmern.html (Abruf 02/2022)
3. Leitlinie der Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin e.V.: S3-Leitlinie Schlaganfall, AWMF-Register-Nr. 053-011 (Stand: 02/2020)
4. Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin e.V.: DEGAM Patienteninformation: Schlaganfall vorbeugen, erkennen und behandeln. AWMF online. 2020. Version 3.
www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/053-011p_S3_Schlaganfall_2020-05.pdf
5. deximed.de: Schlaganfall und TIA.
deximed.de/home/klinische-themen/herz-gefaesse-kreislauf/krankheiten/herzrhythmusstoerungen/vorhofflimmern-flattern (Abruf 02/2022)
6. Ronco F, Mazzone P, Hosseinian L, Genovesi S. Recent Advances in Stroke Prevention in Patients with Atrial Fibrillation and End-Stage Renal Disease. Cardiorenal Med. 2017;7(3):207-217.
7. Nayak-Rao S, Shenoy MP. Stroke in Patients with Chronic Kidney Disease…: How do we Approach and Manage it? Indian J Nephrol. 2017 May-Jun;27(3):167-171.


9-GE-5-13107-02 03-2022

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