Intimität & Sexualität nach Schlaganfall – geht das denn?

Das Bedürfnis nach Intimität, Nähe und Sex gehört zum Menschen – auch nach einem Schlaganfall. Trotzdem kann es sich nach der Erkrankung verändern, und sexuelle Störungen können auftreten. Hinzu kommt, dass nicht nur ältere Menschen einen Schlaganfall erleiden, sondern auch viele junge Menschen davon betroffen sind.

Intimität & Sexualität nach Schlaganfall – geht das denn?

Schlaganfall: (k)eine Frage des Alters?

Richtig ist, dass der Großteil der Schlaganfall-Betroffenen über 60 Jahre alt ist. Gleichzeitig erleiden jährlich in Deutschland aber auch etwa 30.000 Menschen unter 55 Jahren einen Schlaganfall (Apoplex). Das diese Zahlen wohl in Zukunft steigen werden, lässt eine amerikanische Untersuchung vermuten. So nahmen in den USA die Schlaganfall-Erkrankungen bei Personen im Alter zwischen 18 und 45 zwischen den Jahren 1995 bis 2008 deutlich zu. Es konnte beobachtet werden, dass die klassischen Risikofaktoren für Schlaganfälle wie Bluthochdruck, Diabetes, Fettleibigkeit, Fettstoffwechselstörungen sowie Tabakkonsum gerade bei Menschen dieser Altersgruppe oft vorkamen und dazu beitrugen, das Risiko zu erhöhen.

Zurück im (neuen) Leben

Vermutlich stehen direkt nach einem Schlaganfall zunächst andere Bereiche im Vordergrund. Kämpft man sich nach einem solchen Ereignis jedoch nach gewisser Zeit wieder zurück ins Leben, verändert sich fast jeder Lebensbereich – sowohl für den Betroffenen als auch für dessen Angehörige. Insbesondere junge Menschen stehen hier vor großen Herausforderungen. Das betrifft neben dem Berufsleben auch das Liebesleben. So können beispielsweise Fragen zu einer noch nicht abgeschlossenen Familienplanung oder zu sexuellen Beziehungen aufkommen.

Mit Gespräch gut beraten

Doch an wen wendet man sich für Rat? Hier kommt der vertraute Hausarzt als erster Ansprechpartner ins Spiel. Denn um wieder voll im Leben anzukommen muss auch klar sein, welche Hürden im Bereich der Sexualität auftreten können und welche Lösungen es für diese geben kann. Auch wenn Ihr Hausarzt Sie vielleicht nicht direkt darauf anspricht, brauchen Sie sich als Patient nicht zu scheuen, denn im vertraulichen Arzt-Patienten-Gespräch hat auch dieses Thema Raum und kann offen besprochen werden.

Ist die körperliche Anstrengung nicht gefährlich?

Eine große Sorge, die viele Betroffene teilen, ist, dass Geschlechtsverkehr einen erneuten Schlaganfall auslösen könnte. Hier kann in den meisten Fällen jedoch Entwarnung gegeben werden, da Sex nicht mit einem höheren Energieaufwand verbunden ist als die Bewältigung von ein oder zwei Treppenläufen. Um auf Nummer sicher zu gehen, sprechen Sie am besten mit dem Arzt Ihres Vertrauens über Ihre Sorgen und Ängste, so können auch individuelle Besonderheiten berücksichtigt und geklärt werden.

Psychologische und soziale Faktoren

Jede Erkrankung verläuft anders, und nicht jeder Schlaganfall hat automatisch Auswirkungen auf die Sexualität. Allerdings hat eine Studie gezeigt, dass sowohl bei männlichen als auch bei weiblichen Schlaganfall-Patienten und deren Ehepartnern sexuelle Funktionsstörungen und ein unbefriedigendes Sexualleben weit verbreitet sind. Vor allem psychologische und soziale Faktoren scheinen einen starken Einfluss auf die sexuelle Funktion und die Qualität des Sexuallebens nach einem Schlaganfall zu haben.

192 Schlaganfall-Patienten und 94 Ehepartner füllten einen Fragebogen zu ihrer sexuellen Funktionalität und ihren Gewohnheiten vor und nach dem Schlaganfall aus. Die Mehrheit der Schlaganfall-Betroffenen berichtete über einen deutlichen Rückgang aller gemessenen sexuellen Funktionen. Als wichtigste Ursachen für diese Veränderungen wurden genannt:

  • die allgemeine Einstellung zur Sexualität
  • die Angst vor Impotenz
  • die Unfähigkeit über Sexualität zu reden
  • die mangelnde Bereitschaft zu sexueller Aktivität
  • der Grad der funktionellen Behinderung

Auch die Ehepartner berichteten über einen Rückgang ihrer Libido, sexuellen Aktivität und sexuellen Befriedigung als Folge des Schlaganfalls.

Medikamente unbedingt mit Arzt abklären

Es gibt auch Medikamente, beispielsweise bestimmte Blutdrucksenker sowie Medikamente gegen Depression, die die Potenz beeinflussen können. Bei den Blutdrucksenkern beispielsweise kann es manchmal schon helfen, die sexuelle Aktivität vor der Einnahme des Drucksenkers einzuplanen.

Möchten Sie hingegen ein bestimmtes Medikament vielleicht lieber etwas später oder früher einnehmen oder komplett absetzen, ist es wichtig, dass dies nicht ohne ärztliche Rücksprache erfolgt. In den meisten Fällen gibt es einen Grund dafür, weshalb Medikamente zu einer bestimmten Tageszeit eingenommen werden sollten. Setzt man Medikamente einfach ab, kann dies unter Umständen schwerwiegende Folgen haben. Auch bei potenzsteigernden Mitteln ist grundsätzlich Vorsicht geboten, da es beispielsweise zu Wechselwirkungen mit diversen Medikamenten kommen kann oder die Einnahme bei bestimmten Erkrankungen generell bedenklich ist. Aus diesem Grund ist vor der Einnahme solcher Medikamente unbedingt der Rat eines Arztes einzuholen.

Anlaufstellen für weitere Informationen

Zu Themen wie Funktionsstörungen oder Problemen wie Urin-Inkontinenz sowie Fragen rund um die Fortpflanzung können sich Schlaganfall-Betroffene auch an ihren Urologen und Gynäkologen wenden. Eine weitere Möglichkeit bietet der Besuch einer Selbsthilfegruppe. Dort steht der Erfahrungsaustausch unter Gleichgesinnten an erster Stelle – sowohl für Betroffene wie deren Angehörige. Auch für junge Schlaganfall-Patienten gibt es mittlerweile spezielle Selbsthilfegruppen, wie z. B. die 2012 in Gütersloh gegründete Gruppe „The Young Strokers“ für Betroffene zwischen 18 und 50 Jahren. Hilfreiche allgemeine Informationen zum Thema finden Betroffene zudem auf den folgenden englischsprachigen Webseiten:

American Stroke Association: “Intimacy after stroke”
Toledo University: „Thinking about sexuality and stroke“
National Stroke Association: “Recovery after stroke: redefining sexuality”

 

Autorin: Sabina Filipovic, medproduction GmbH, www.medproduction.de

Datum: August 2020

Quellen:

Stiftung Deutsche Schlaganfall Hilfe: „Junger Mensch und Schlaganfall: Er trifft härter.“ https://www.schlaganfall-hilfe.de/de/gesundheitsmagazin/2017/ausgabe-42017/schlaganfall-trifft-junge-menschen-haerter/ (Abruf: 08/2020)

Pressemitteilung der Deutschen Gesellschaft für Neurologie: „Zunehmend mehr junge Menschen erleiden einen Schlaganfall“. Schutz vor Schlaganfall, 27. September 2012.
https://www.dgn.org/images/red_pressemitteilungen/2012/120927_junge_menschen_schlaganfall_final.pdf (Abruf: 08/2020)

George M, et al. Trends in stroke hospitalizations and associated risk factors among children and young adults, 1995-2008. Ann Neurol 2011; 70:713-721.

Joel Stein, Marni Hillinger, Cait Clancy & Lauri Bishop (2013) Sexuality after stroke: patient counseling preferences, Disability and Rehabilitation, 35:21, 1842-1847, DOI: 10.3109/09638288.2012.754953
https://www.tandfonline.com/doi/full/10.3109/09638288.2012.754953?scroll=top&needAccess=true (Abruf: 08/2020)

Korpelainen J T, Nieminen P, Myllyla V V: Sexual functioning among stroke patients and their spouses. Stroke. 1999;30: 715-719. © 1999 American Heart Association, Inc.

American Stroke Association: Intimacy after stroke.
https://www.stroke.org/en/about-stroke/effects-of-stroke/emotional-effects-of-stroke/intimacy-after-stroke (Abruf: 08/2020)

9-GE-5-11784-02 09-2020

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